Interview mit Tanja Donsbach (Bc. sc. phys.)
Das Interview führte Herr Roland Bruzek
Roland Bruzek: Sie sind Absolventin des neu eingerichteten Studiengangs ?Bachelor of science physiotherapy? an der Fachhochschule Osnabrück und haben diesen Studiengang gerade erfolgreich mit Ihrer Bachelorarbeit abgeschlossen. Hierzu möchten wir Ihnen und den anderen Absolventen des Studienganges erst einmal ganz herzlich gratulieren !
Tanja Donsbach: Danke
Roland Bruzek Welche Gründe bewegten Sie zur Aufnahme eines Studiums der Physiotherapie ?
Tanja Donsbach: Es gab mehrere Gründe, die mich zu dem Entschluss führten. Die von ärztlicher Seite abhängigen Handlungsfelder der Physiotherapie stellten mich schon nach dreijähriger Berufserfahrung nicht mehr zufrieden. Ich arbeitete damals in einem großen Rehabilitationszentrum, welches stets um die Existenz fürchtete. Im 20 Minuten Takt wurde eine Vielzahl von Patienten behandelt. Die Quantität stand deutlich vor der Qualität. Zudem nehme ich an der 5 jährigen Weiterbildung in Osteopathie teil. In benachbarten Ländern führte eine Akademisierung der Osteopahie und Physiotherapie zu einem eigenständigen Handeln. Das Kernelement hier stellt die Wissenschaft dar. Zum Beispiel beruht deutschsprachige physiotherapeutische Fachliteratur ausschließlich auf Erfahrungswissen und sollte durch Forschung hinterfragt und belegt werden.
Roland Bruzek: Welche Zugangsvoraussetzungen waren für den Studiengang notwendig ?
Tanja Donsbach: Um ein Fachhochschulstudiengang aufnehmen zu können, ist ein Fachabitur Voraussetzung. Für die Fachhochschule Osnabrück war eine gewisse Zeit an Berufserfahrung für die Studierenden keine Voraussetzung. Zudem mussten keine Zertifikate einer kassenanerkannten Fortbildung vorgelegt werden, wie ich es von anderen Fachhochschulen erfahren habe. Um zugelassen zu werden, musste jedoch eine Einstufungsprüfung bestanden werden. Der Test bestand zum einen aus einer schriftlichen Textanalyse, die sich auf eine vorgelegte Studie bezog, zum anderen wurde in einem anschließenden Gespräch auf Textinhalten einer englischsprachigen Studie eingegangen. Das Textverständnis stand im Vordergrund.
Roland Bruzek: Welche Themenschwerpunkte wurden im Verlauf des Studienganges behandelt ?
Tanja Donsbach: Es wurde eine Vielzahl von theoretischen Fächern angeboten. Themenschwerpunkte waren unter anderem wissenschaftliches Arbeiten, Qualitätsmanagement, evidenz basierte Praxis, sowie betriebswirtschaftliche Grundlagen. Leider wurden keine praxisrelevanten Themen angeboten.
Roland Bruzek: Wie konnten Sie Ihr Studium finanzieren ?
Tanja Donsbach: Nach einer dreijährigen Ausbildung zuzüglich dreijähriger Berufserfahrung steht jedem Studenten ein elternunabhängiges BaföG zu. Der Höchstsatz liegt bei ca. 550 Euro. Zudem wurde von der Fachhochschule der Stundenplan dementsprechend eingerichtet, dass die Studenten auf Stundenbasis arbeiten konnten.
Roland Bruzek: Haben sich Ihre Erwartungen an das Studium erfüllt ?
Tanja Donsbach: Kritisch betrachtet haben sich einige Erwartungen erfüllt, jedoch andere auch nicht. Ich habe es die 3 Semester genossen ?über den Tellerrand? blicken zu können. Es entwickelte sich ein Weitblick mit vielfältigen Ideen und Möglichkeiten als Physiotherapeut(in) in Deutschland arbeiten zu können. Wir waren hochmotiviert und strebten nach Taten diese umzusetzen. Zwei unserer Studenten erhielten die Möglichkeit ?Gesundheitscoachingseminare? für die Firma Siemens durchzuführen. Dazu wurden wir vom Österreichischen Verband für Physiotherapie eingeladen die Durchführung und Ergebnisse der Coachingseminare bei dem ?Europäischen Kongress für Physiotherapie? in Wien zu präsentieren. Auf der andere Seite bemerkten wir, wie schnell die heutige Arbeitsmarktsituation uns einholte und uns wieder auf den Boden der Realität zog. Nicht einer von unseren Studenten hat ein adäquates Stellenangebot in Aussicht.
Roland Bruzek: Welche neuen Handlungsfelder ergeben sich durch die Akademisierung der Physiotherapie ?
Tanja Donsbach: Meine persönlichen beruflichen Perspektiven liegen in der Aufnahme einer Lehrkrafttätigkeit und in freien redaktionellen Aufgabenbereichen. Dozenten sind Überlieferer aktueller Informationen und entwickeln somit physiotherapeutisches Basiswissen. Ein Kommilitone wird sich im Bereich des Gesundheitscoaching- und Qualitätsmanagement selbständig machen. Er entwickelt ein praxisorientiertes Qualitätshandbuch für physiotherapeutische Einrichtungen. Ein weiterer bietet sich als ?Private Trainer? in großen Fittnesszentren an. Stellenangebote im Bereich ?wissenschaftlicher Mitarbeiter? sind bisher leider noch nicht in Deutschland verfügbar. Roland Bruzek: Ich bedanke mich für das interessante Gespräch und wünsche Ihnen und Ihren Komilitonen, dass sich alsbald für Sie Ihrem Ausbildungsstatus entsprechende interessante Arbeitsgebiete erschließen.
Korrespondenz: Tanja Donsbach B.sc.phys. T.Donsbach@web.de
|